„Wenn GPTs das Gespräch eröffnet haben, dann sind KI-Agenten diejenigen, die anfangen zu handeln.“
Von LLMs zu handelnden Systemen
GPTs haben gezeigt, wie mächtig Large Language Models (LLMs) im Umgang mit Sprache sind. Doch was bisher vor allem beeindruckte, war die Interaktion – nicht die Integration. LLMs liefern Antworten, aber sie tun nichts von selbst.
Die nächste Evolutionsstufe sind KI-Agenten: Systeme, die nicht nur generieren, sondern planen, entscheiden und ausführen. Sie kombinieren die Sprachintelligenz von LLMs mit Schnittstellen zu Daten, Tools und Prozessen.
Damit wird aus einem Chat ein Akteur – ein System, das Aufgaben versteht, Tools nutzt und eigenständig Ergebnisse liefert.
Was KI-Agenten ausmacht
Ein KI-Agent kann …
- Ziele verstehen, statt nur Anweisungen auszuführen
- Informationen beschaffen (über APIs, Datenbanken, RAG-Systeme)
- Entscheidungen treffen (z. B. Priorisierung, Ablaufsteuerung)
- Aktionen ausführen (Bericht erstellen, E-Mail senden, Ticket anlegen)
- Feedback verarbeiten und sein Verhalten anpassen
Damit rücken KI-Agenten näher an das, was man in Organisationen als digitalen Kollegen oder Assistenzsystem versteht – jedoch mit potenziell weitreichender Autonomie.
Wie KI-Agenten funktionieren
Ein KI-Agent ist im Kern ein handlungsfähiges KI-System, das nicht nur Sprache versteht und generiert, sondern eigenständig Aufgaben plant, ausführt und überprüft.
Er kombiniert drei zentrale Komponenten:
- Kognition (LLM-Komponente)
– Der Agent versteht Sprache, interpretiert Ziele und generiert Vorschläge oder Aktionen.
– Grundlage sind große Sprachmodelle, die kontextbezogen argumentieren können. - Wissen & Gedächtnis
– Anders als ein Chatbot greift der Agent auf interne Datenquellen, APIs oder Dokumente zu.
– Über Retrieval-Augmented Generation (RAG) kann er Wissen abrufen, prüfen und aktuell halten.
– Viele Agenten speichern zudem Konversationen, Entscheidungen oder Fehler, um beim nächsten Mal dazuzulernen. - Handlungsfähigkeit (Execution Layer)
– Der Agent kann selbstständig Aktionen ausführen: etwa Daten in ein CRM-System schreiben, Berichte generieren, Termine planen oder Code ausführen.
– Dafür nutzt er Tools, Plugins oder API-Integrationen.
– Bei fortgeschrittenen Modellen entsteht eine „Chain of Thought“ – also ein logischer Handlungsplan aus Teilaufgaben, die er nacheinander abarbeitet.
Beispiel:
Ein Vertriebs-Agent analysiert eingehende Leads, prüft Daten im CRM, erstellt ein passendes Anschreiben und legt dem Vertriebsleiter eine priorisierte Liste zur Freigabe vor – ohne dass jemand manuell eingreifen muss.
Wo sich Agenten von GPTs unterscheiden
| Merkmal | GPT / Chatbot | KI-Agent |
|---|---|---|
| Ziel | Beantwortet Fragen, generiert Text | Erreicht ein definiertes Ziel |
| Interaktion | Nutzer → Modell | Nutzer ↔ Agent ↔ Systeme |
| Datenbasis | Training + Prompts | Training + RAG + Live-Daten |
| Gedächtnis | Kurzfristig (Session) | Langfristig (Memory Store) |
| Handlungsfähigkeit | Keine | Selbstständige Aktionen über Tools |
| Kontrolle | Mensch führt | Mensch steuert und validiert |
Kurz gesagt:
Ein GPT-Modell ist wie ein intelligenter Assistent, der auf Anfrage antwortet.
Ein KI-Agent ist wie ein Mitarbeiter, der eigenständig arbeitet, aber unter Aufsicht bleibt.
Erste Pilotprojekte – realistisch auch für mittelständische Unternehmen
Gerade im Mittelstand sind zielgerichtete, fokussierte Agenten-Projekte sinnvoll.
Der Schlüssel: klein anfangen, sichtbar machen, dann skalieren.
Typische Pilotideen
- Vertriebs-Backoffice-Agent
– liest eingehende Anfragen,
– prüft Kundendaten,
– erstellt Angebotsentwürfe,
– übergibt an Sachbearbeitung.
Nutzen: 20–30 % Zeitersparnis im Angebotsprozess, bessere Reaktionszeit. - Service-Desk-Agent
– klassifiziert Tickets, schlägt Lösungen vor,
– sucht relevante Dokumentation aus dem Wissensarchiv (RAG).
Nutzen: höhere Erstlösungsrate, geringere Eskalationsquote. - Dokumentations-Assistent (Technik/Netzbetrieb)
– analysiert Wartungsberichte,
– erstellt zusammenfassende Analysen und Kennzahlen,
– warnt bei Musterabweichungen.
Nutzen: Qualitätssteigerung und Transparenz in der Instandhaltung. - Regulatorik- oder Compliance-Agent
– scannt neue Regularien (z. B. DORA, ESG, Lieferkettengesetz),
– vergleicht mit internen Policies,
– markiert Handlungsbedarf.
Nutzen: frühe Erkennung von Handlungsdruck, Entlastung der Rechtsabteilung.
Erfolgsfaktor: Fokussierung & Integration
Die erfolgreichsten Projekte starten nicht als „KI-Monolith“, sondern als kleine Agenten mit klar definierten Aufgaben und messbarem Ziel.
Wichtig ist, dass der Agent:
- auf saubere, strukturierte Daten zugreifen kann,
- in vorhandene Tools integriert ist,
- menschliche Freigabeprozesse berücksichtigt,
- und schrittweise lernt – idealerweise durch Feedback-Loops.
Chancen für Unternehmen
- Produktivitätsschub: Viele Aufgabenketten können teil- oder vollautomatisiert werden.
- Entlastung: Mitarbeitende gewinnen Zeit für komplexe, kreative oder zwischenmenschliche Arbeit.
- Kundenerlebnis: Schnellere Reaktionen und individuellere Interaktionen werden möglich.
- Innovationspotenzial: Kombination von Agenten mit Unternehmensdaten (z. B. über RAG) eröffnet völlig neue Prozesse.
Neue Fragen und Herausforderungen
Mit Agenten stellen sich aber auch tiefere Fragen:
- Wie viel Autonomie darf ein System haben?
- Wie wird Verantwortung verteilt, wenn Entscheidungen von KI getroffen werden?
- Welche Kompetenzen brauchen Mitarbeitende, um mit Agenten effektiv zusammenzuarbeiten?
Hier beginnt die systemische Seite der Transformation – kulturell, organisatorisch, ethisch.
(→ Crosslink: Welche kulturellen und organisatorischen Veränderungen KI-Agenten auslösen ➚)
Fazit
KI-Agenten sind der nächste logische Schritt nach GPTs – von reaktiver Intelligenz zu aktiver Handlung. Sie verbinden Sprachintelligenz mit Handlungsfähigkeit – und machen KI erstmals zu einem operativen Werkzeug im Geschäftsalltag. Wer heute erste Pilotprojekte startet, baut die Grundlagen für echte Automatisierungsintelligenz in den kommenden Jahren.
KI-Agenten werden Geschäftsprozesse, Rollenbilder und Organisationsstrukturen verändern. Ob sie zum Risiko oder zum Wachstumstreiber werden, hängt davon ab, wie Unternehmen sie einbetten, steuern und begleiten.